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Agent 00-sehen

Blog-Eintrag -

Agent 00-sehen

Augenimplantate, Brillenkameras und Lasertechniken: Was wie einst futuristisch-technische Zukunftsmusik aus einem Bond Film klingt, hilft Menschen mit Sehbehinderung heute, den Hürden des Alltags entgegenzutreten.

Wir leben in einer zunehmend visualisierten Welt: Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung weichen Knöpfe und Regler Touchscreens und Displays. Nicht nur die ältere, weniger technikaffine Generation gerät da bei der Bedienung von Waschmaschine, Mikrowelle und Smartphone gerne mal an ihre Grenzen. Blinde und sehbehinderte Menschen stehen ohne Sprachausgabe oder taktile Regler in einer Welt aus Touchscreens und Pixeln alleine leider oft vor kaum überwindbaren Hürden.

Früher war alles besser …

… einige von uns neigen in Momenten nostalgischer Rückbesinnung gerne mal zu entsprechenden Aussagen. Dennoch schätzen wir die technischen Neuerungen, die uns den Alltag erleichtern. Obwohl der Absatzmarkt verhältnismässig klein ist, entwickeln Unternehmen zunehmend mehr technische Hilfsmittel, die Menschen mit Sehbehinderung in ihrem Alltag unterstützen sollen.

Braille-Tastatur

Laserschwerter 2.0?

Ein heute schon fast wieder vorsteinzeitlich wirkendes Hilfsmittel, das es bereits seit vielen Jahren auf dem Markt zu kaufen gibt, ist der «laser-cane»: Ein höhenverstellbarer Blindenstock, der vierzig Mal in der Sekunde auf verschiedenen Höhen einen kurzen, für Sehende ungefährlichen infraroten Lichtstrahl aussendet. Trifft einer der Lichtstrahlen auf einen Gegenstand, wird er reflektiert und löst Vibrationen aus. Geht der parallel zum Stock verlaufende Lichtstrahl dagegen über eine gewisse Entfernung hinaus, wenn zum Beispiel eine abwärts führende Treppe vor einem liegt, gibt er ein akustisches Warnsignal von sich. Durch den nach oben gerichteten Lichtstrahl hingegen, können zum Beispiel Zusammenstösse mit Gegenständen, die von der Decke hängen, vermieden werden.

Nicht vom rechten Weg abkommen

Spätestens seit den ersten Auto-Navigationsgeräten ist das GPS-Tracking in der breiten Gesellschaft angekommen. Jedes Smartphone verfügt heute über diese Funktion und ortet uns, wenn wir orientierungslos durchs Leben stolpern oder den falschen Weg einschlagen wollen – und oftmals nicht nur da. Anders als mit den meisten Navigationsgeräten und -Apps kommen blinde und sehbehinderte Menschen mit Kapten Mobility GPS oder Smartphone-Apps wie My Way Classic, Blind Square oder Komoot auch ohne visuelle Displayunterstützung nicht vom rechten Weg ab. Bei Kapten Mobility GPS erfolgt die Eingabe der Zieladresse über Sprachbefehle und navigiert die Nutzer über Kopfhörer zum Ziel. Es passt bequem in jede Hosentasche und verweist ausserdem automatisch auf Orte von allgemeinem Interesse, wie Geldautomaten, Restaurants oder Museen – zusätzlich hat es noch viele andere Funktionen mit im Gepäck.

Nicht Ohrwurm, sondern OrCam

Nicht etwa Zukunftsmusik, sondern Sprachausgaben von Texten, Supermarktprodukten oder Namen von Familienmitgliedern und Bekannten hört man dagegen dank OrCam. Dabei handelt es sich um einen Minicomputer mit integrierter Kamera und Lautsprecher, der mithilfe von Magneten an nahezu jedem Brillenbügel befestigt werden kann. Sobald man mit dem Finger etwa auf Speisekarten, Texte, Bücher oder Lebensmittelverpackungen deutet, überträgt der Minicomputer das gefilmte in ein auditives Signal und liest einem das Gesehene vor. Auch Gesichter können auf diese Weise erkannt werden: Dafür muss der Minicomputer ihnen aber vorab vorgestellt worden sein, und zwar in Form von Fotos, die mit dem dazugehörigen Namen eingespeichert wurden. Sobald die Kamera eine der Personen erkennt, flüstert sie einem den Namen ins Ohr.

Fortschrittlich in die Zukunft blicken

Wahrhaftig wie in einem Science-Fiction Spionageroman mutet dagegen das Augenimplantat an. Die Zielgruppe entsprechender Netzhautimplantate sind Menschen, deren Sehnerven noch intakt sind, die aufgrund einer Netzhauterkrankung jedoch nur noch schemenhaft sehen können oder erblindet sind. Durch das Implantat werden Bilder wahrgenommen und in elektrische Impulse umgewandelt, die dann an den Sehnerv und darüber ins Gehirn weitergeleitet werden.

Durch die sehr komplizierte und sehr teure Augenoperation kann trotzdem leider nur ein geringer Prozentsatz im unteren einstelligen Bereich der Sehkraft wiederhergestellt werden – und auch nur bei Menschen, die in ihrem Leben mal sehen konnten. Auch mit Implantat heisst das, zumindest heute noch, schemenhafte Umrisse von Gegenständen und Personen, grobe Lichtunterschiede und in einigen Fällen auch grosse Buchstaben wieder wahrnehmen zu können. Für eine blinde Person kann dies jedoch ein grosses Stück Lebensqualität und mehr Selbstständigkeit im Alltag bedeuten. Im Bereich der Implantat Entwicklung gibt es allerdings noch einiges zu tun.

Selbstständigkeit durch Smartphones und Smart Homes?

Zur Selbstständigkeit im Alltag von Menschen mit Sehbehinderung kann auch Künstliche Intelligenz einiges beisteuern, wie etwa der HomePod von Apple, Google Home oder ausserhalb der Schweiz, Amazons Echo. Mit «Hey Siri», «Ok Google», oder «Alexa» lassen sich heute via Smart Home Funktionen zahlreiche darauf ausgerichtete Haushalts- und Küchengeräte alleine durch Sprachsteuerung bedienen.

«Hey Siri, schalte die Kaffeemaschine an und mache mir einen Latte Macchiato, dann rufe Stephan Hüsler von Retina Suisse an.»

Stephan Hüsler bekam 2001 die Diagnose Retinitis Pigmentosa, seit dem hat seine Sehkraft stark nachgelassen. Während Blindenhund Neo ihn im Alltag tatkräftig unterstützt, unterstützt Hüsler als Geschäftsleiter der Selbsthilfeorganisation Retina Suisse andere Erkrankte im Umgang mit ihrer Diagnose.

Auf meine Frage, ob Smartphones und Künstliche Intelligenz viele der eigens für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelten Geräte obsolet machen, antwortet er: «Ich möchte diese beiden Technologien nicht gegeneinander ausspielen, jede hat ihren Platz im Alltag von Menschen mit Sehbehinderungen. Ich habe auch ein iPhone und ich benutze die Voiceover Funktion. Ab und zu benutze ich auch Siri und bin ganz glücklich darüber, denn so habe ich Zugang zu sehr vielen Informationen, die ich sonst nicht hätte. Dann gibt es halt die anderen Softwares, die man benutzen kann, die aber eben nicht eingebaut sind. Bei Windows zum Beispiel, gibt es ja auch die Vergrösserung und Sprachausgabe, die sind nicht schlecht, aber sie sind auch nicht ganz so gut wie speziell dafür entwickelte Programme.»

Vor allem der heute jüngeren Generation werden Smartphones und Smart Homes zunehmend Unterstützung im Alltag geben. Für Ältere stellt diese Technologie bisher jedoch oft nur eine zusätzliche Hürde dar. Sich allerdings ausschliesslich auf Technologie zu verlassen, kann auch Schwierigkeiten mit sich bringen: «Ich arbeite oft noch mit Brailleschrift, also mit der Blindenschrift. Denn mit der Papierversion bin ich unabhängig von der Elektronik. Der Laptop muss mir nur mal runterfallen, dann bin ich aufgeschmissen», erklärt mir Hüsler. So ein Akku geht schliesslich auch schnell mal leer, dann hilft es oft, auf traditionellere Methoden zur Orientierung zurückgreifen zu können.

Schweizer Behindertengleichstellungsgesetz

Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund das Behindertengleichstellungsgesetz, das 2004 von der Regierung verabschiedet wurde. Mit einer Frist von 20 Jahren sollte – so der Plan – der öffentliche Raum bis 2023 barrierefrei gestaltet werden «unter anderem sollen 

alle Infotafeln und Ticketautomaten nach diesem Gesetz barrierefrei werden. Zwar hat man heute eine Telefonnummer, die man anrufen kann, um ein Ticket am Automaten zu kaufen, doch wenn das Call Center mal nicht besetzt ist, kriegt man auch kein Ticket. Vieles ist lange noch nicht so, wie man es gerne hätte».

Barrierefreie ÖV sind eine Hürde weniger im Alltag von Menschen mit einer Sehbehinderung

Auch flächendeckend genormte Bordsteine an Gehwegen, ein barrierefreier, öffentlicher Nahverkehr oder akustische Ampelsignale bringen Erleichterungen im Alltag – und zwar nicht nur für blinde oder sehbehinderte Menschen. Achten Sie doch mal auf die Barrierefreiheit auf Ihren alltäglichen Wegen – leider sind es nämlich vor allem die Sehenden, die blind sind für die Hürden, denen sich Menschen mit Beeinträchtigungen im Alltag stellen müssen.

Samantha Happ

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